Sonntag, 28. Oktober 2012

Review: Hexen bis aufs Blut gequält (NSM/Turbine Medien)

 

Harmonische Musik, die Berge, blühende Landschaften – in Hexen bis aufs Blut gequält zeigt sich Österreich von seiner schönsten Seite. Allerdings befinden wir uns hier nicht im Heimatfilm, sondern in einem überaus kontroversen und brutalen Horror-Film deutscher Herkunft, der auch nach rund 40 Jahren noch zu schockieren vermag und bei dem es schwer fallen kann, eine komfortable Distanz zum Geschehen einzunehmen. Entstanden Ende der 60er unter der Co-Regie des ehemaligen Heimatfilm-Darstellers Adrian Hoven und dem Briten Michel Armstrong, besetzt mit hochkarätigen Stars und von Michael Holm mit einem wunderschönen Score ausgestattet, ist Hexen bis aufs Blut gequält ein Stück deutscher Filmgeschichte und Zeugnis der grausamen Hexenverbrennungen in ganz Europa während des 17. Jahrhunderts.



Leicht verdaulich ist Mark Of The Devil – so der englische Titel – ganz und gar nicht. Gleich zu Anfang werden wir Zeuge, wie eine Gruppe unbescholtener Nonnen von einem sadistischen Hexenjäger und seinen Schergen überfallen, vergewaltigt und ermordet wird (bis auf diejenigen, die viel später noch ein viel schrecklicheres Schicksal erwartet). Ein Mönch wird grausam verstümmelt, geteert und gefedert und anschließend von der Meute gehetzt, zwei Frauen bei lebendigem Leibe verbrannt. Und das ist erst der Vorgeschmack auf die in den folgenden 90 Minuten dargebotenen Grausamkeiten. Dabei gelingt es dem Film perfekt, den blanken Hass auf die Hexenjäger zu lenken und damit den Hass auf ein krankes System, dass sich aus gar nicht christlichen Gründen zum Scharfrichter der Bevölkerung aufgeschwungen hat.



Am prägnantesten wird dieses System von Reggie Nalder verkörpert (dem wohl auch sein vernarbtes, charakteristisches Gesicht u.a. zur Zusammenarbeit mit Alfred Hitchcock und später zur Rolle des Nosferatu in Salem's Lot verholfen hat). Er spielt den Hexenjäger im Kleinen, der einzig und allein aus perverser Lust und Machtwünschen denunziert und mordet. Nur nach wenigen Sekunden wird man als Zuschauer Abscheu vor diesem Charakter empfinden, so glaubwürdig spielt Nalder. Gekonnt wird sein Part mit dem Herbert Loms kontrastiert. Dieser brilliert in der Rolle des adligen Ober-Inquisitors, der mit den Vollmachten des Königs handelt. Wird dieser zunächst als halbwegs ehrenhafte Person dargestellt, beginnt dieses Bild allmählich zu bröckeln: Nicht nur liebt er offensichtlich die Grausamkeit genauso wie seine Untertanen, er hat insgeheim auch ähnliche, triebhafte Gründe für sein Handeln. Ihm zur Seite steht als Scharfrichter Herbert Fux, der hier so lässig spielt, dass es eine wahre Wonne ist. Bei all den Folterungen bringt die Figur eine Coolness rüber, die bemerkenswert ist.



Zunächst noch auf ihrer und dann auf der Gegenseite steht der junge Udo Kier, der vielleicht ein bisschen blass bleibt, aber natürlich trotzdem das Herz eines jeden Liebhabers des Euro-Kults höher schlagen lassen dürfte. Anfangs noch ein treuer Anhänger des Hexenjägers, verwandelt ihn die Liebe zu einem seiner ärgsten Feinde. Wenn dann Udo mit seiner Geliebten im Gebirgsbach turtelt – ach, das hat was von Heimatfilmromantik! Dumm nur, dass für Romanzen nur wenig Zeit bleibt, werden diese doch sofort durch extreme Folter-Exzesse unterbrochen. Und die haben es wie eingangs erwähnt auch wirklich in sich, sodass es nicht unbedingt verwunderlich ist, dass er Film vor ein paar Jahren die altehrwürdigen Reihen der 131er – beschlagnahmt wegen Gewaltverherrlichung – aufgenommen wurde. Hierzu vielleicht noch ein paar Worte. Hexen bis aufs Blut gequält wird vielleicht die Anhänger des zeitgenössischen Torture Porn nur müde lächeln lassen, hat mich in diesem Punkt jedoch hart getroffen. Die Szene mit einer Folterapparatur und der Zunge von Nebendarstellerin Gaby Fuchs (Nacht der Vampire) nimmt diverse Splatter-Exzesse der Folgejahre schon vorweg. Vielleicht wirken diese Szenen aber auch deshalb so besonders grausam, weil sowohl die behandelten Fälle als auch die gezeigten Foltermethoden authentisch und historisch verbürgt sind. Ein unbeschwertes Filmvergnügen war der Film für mich daher auch keineswegs, auch wenn er wohl hauptsächlich aus kommerziellem Interesse gedreht wurde.




Zur DVD/Blu-Ray

Turbine Medien haben mit ihrer Edition dieses Klassikers eine absolute Vorzeige-Fassung zusammengestellt, die selbst so manchen internationalen Mitbewerber alt aussehen lassen dürfte. In einem edlen Schuber steckt ein hübsches Digi-Pack, das stilvoll mit diversen Film-Motiven geschmückt wurde. Die Discs selbst sind ebenfalls ansprechend gestaltet. Es sind insgesamt drei an der Zahl: Der Hauptfilm jeweils als DVD und Blu-ray, plus eine DVD mit Zusatzmaterial. Ein Hinweis: Alle hier gezeigten Screenshots stammen von der DVD!


Bild & Ton

Wenn man Blu-ray einlegt, wird man zunächst von einem erstklassig gestalteten Menü begrüßt. Klickt man dann auf Play, ist man die ersten Minuten wenig begeistert, wurde die Anfangssequenz von Hexen bis aufs Blut gequält doch mit Filtern aufgenommen. Dann aber klappt einem fast die Kinnlade runter. So schön haben 40 Jahre alte Genre-Filme selten auf einem digitalen Medium ausgesehen. Die Blu-ray beeindruckt durch wunderschöne Farben, beeindruckende Detailschärfe und scheint völlig frei von jeglicher unnötiger digitaler Bearbeitung. Für den Laien dürfte hier kaum Grund zum Mäkeln bestehen, dieses Bild wird mit ziemlicher Sicherheit auch die nächsten Jahre noch die absolute Referenz darstellen. Auch die DVD zeichnet ein – angesichts der natürlichen Begrenztheit dieses Mediums – ein sehr zufriedenstellendes Bild.
Bzgl. des Tons will ich mir als Laie nur einige knappe Bemerkungen erlauben: Dieser liegt sowohl auf Deutsch als auch Englisch vor, wobei z.B. Herbert Lom sich für die deutsche Fassung selbst synchronisiert hat, Udo Kier hingegen auf der deutschen Tonspur nicht zu hören ist. Auf der Blu-ray hat man jeweils die Wahl zwischen 5.1 DTS-HD Master Audio und 2.0 Mono, auf DVD zwischen 2.0 und 5.1 Dolby Digital. Die 5.1 Tonspuren klingen natürlich etwas kraftvoller als die – wohl authentischeren – Mono-Spuren. Beide deutsche Varianten haben ein leichtes Rauschen, das den Filmgenuss jedoch nicht weiter stören dürfte.




Extras

Zunächst sei angemerkt, dass Turbine alle essentiellen Extras der nun schon einige Jahre alten Blue Underground-DVD aus den USA übernommen hat. Diese Extras liegen – mit Ausnahme des Audiokommentars von Regisseur Michael Armstrong – allesamt in SD auf der Bonus-Disc vor. Es handelt sich um vier exzellente Interviews mit den Darstellern Herbert Fux, Udo Kier, Ingeborg Schönher und Gaby Fuchs, wobei die beiden ersteren auf Deutsch geführt wurden. Alle Gesprächspartner sind bestens aufgelegt und plaudern munter aus dem Nähkästchen, nur „unser“ Udo ist natürlich mal wieder ein Sonderfall. Fans werden das kurze Interview mit ihm jedenfalls lieben. Die Schauspieler nehmen auch Stellung zur der Rolle des Engländers Michael Armstrong, der bei einem großen Teil des Films auf dem Regie-Stuhl saß, dann aber wohl aus Zeitgründen von Adrian Hoven ausgebootet wurde. Wer sich mit diesem Konflikt näher auseinandersetzen will, kann dies mit dem Audiokommentar von Armstrong tun, in dem dieser so manch haarsträubendes über die Produktions-Umstände erzählt. So soll der Film ursprünglich als wilder Genre-Mix unter dem Titel Hexenjäger Dr. Dracula geplant gewesen sein.



Eine ganz andere Geschichte erzählt da freilich der zweite Audiokommentar, für den Turbine offensichtlich keine Kosten und Mühen gescheucht haben und gleich mehrere wichtige Personen aus Cast und Crew versammelt haben. Am meisten zu erzählen hat aber Produzent Dieter Menz, der trotz seines hohen Alters noch eine unglaubliche Vitalität vorweist und als Gründer der Atlas International natürlich ein absoluter Experte auf seinem Gebiet ist. Bei so viel geballtem Wissen stört auch das Rumgezicke von Udo kaum, der mal wieder die Drama-Queen gibt. Diesen Kommentar kann man sich auf der Blu-ray auch als Videokommentar ansehen, er überdeckt dann einen kleinen Teil des Bildes. Außerdem gibt es hier noch eine interessante Vorstellung aller Mitwirkenden zu sehen. Prädikat besonders wertvoll.
Doch damit hat Turbine sich nicht zufrieden gegeben: Neben einer Bildergalerie, einem Musik-Video und diversen Outtakes (in HD) hat man Percy Hoven und Michael Maien interviewt, die beide kleine Rollen in dem Film haben. Percy ist auch der Sohn von Regisseur Adrian Hoven, der sehr persönlich allerhand interessantes über seinen Vater zu berichten weiß. Michael Maien wiederum hat u.a. mit Oswalt Kolle zusammengearbeitet und gibt auch über diese Zusammenarbeit gerne Auskunft. Somit sind diese Interviews auch über Hexen bis aufs Blut gequält hinaus interessant, geben sie doch Einblick in ein Stück deutsche Filmgeschichte. Beide Interviews wurden übrigens in HD gedreht, die Qualität ist also – obwohl sie auf der Bonus-DVD in SD kodiert vorliegen – sehr gut.

Fazit

Hexen bis aufs Blut gequält ist ein exzellenter deutscher Genre-Film. Die Veröffentlichung aus dem Hause Turbine wird dem gerecht und präsentiert diesen Film in einer bis dato nie gesehen Qualität. Uneingeschränkt empfehlenswert.

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